Wie Verlage zu Start-up-Investoren werden

Matthias Bannert
3 min readJan 3, 2016

Print ist tot, lang lebe…

Ja, was eigentlich? Der Abgesang auf die Print-Industrie — und hier ist sowohl das Drucken von Zeitungen als auch von Büchern gemeint — geht oft mit dem Abgesang auf den Journalismus und dem Tod der Buchbranche einher.

Dabei stimmt das gar nicht. Nie war es einfacher, Bücher zu kaufen und sie überall zu lesen — dank des Booms der eBooks und von Onlineshops wie Amazon. Und der Journalismus erfindet sich gerade neu. Das ist gut, denn Kreativität war schon immer der Grundstoff, aus dem große Verlage erwachsen sind. Die „Bildzeitung“, wie sie bei ihrer Gründung hieß, war ein Hirngespinst ihres Erfinders Axel Springer. Völlig verrückt, zum Scheitern verurteilt — heute die größte Zeitung Europas.

Die digitale Transformation

Doch was machen die Verlage, die Profis im Bedrucken von Papier, wenn tote Bäume auf einmal out sind?

Um die digitale Transformation kommt niemand mehr herum. Einige Medienhäuser, wie beispielsweise die Axel Springer AG, gehen dabei einen sehr konsequenten Weg. Da werden renommierte Zeitungstitel wie die „Berliner Morgenpost“ oder das „Hamburger Abendblatt“ verkauft, das Geld dafür in junge internetbasierte Unternehmen gesteckt.

Andere Verlage transformieren sich vorsichtiger. Das Internet, seit einer Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel auch „Neuland“ genannt, ist für alle eben noch — Neuland.

Die Axel Springer AG hat in den vergangenen Jahren in eine ganze Reihe von Internet-Unternehmen investiert. Das Immobilienportal immonet.de, die Wohnungsvermietungs-Seite airbnb oder die Second-Screen-Plattform TunedIn — um nur einige Beispiele zu nennen. Oftmals wird einfach nur der Anzeigenmarkt, der „früher“ in Umgebung von Print-Journalismus platziert wurde und nun Stück für Stück wegbricht, ins Internet verlagert.

Ein Geschäftsmodell, das schon immer zur DNA der Medienhäuser gehört hat. Jetzt eben digital.

Liegt die Zukunft der Verlage ausgerechnet bei hippen jungen Internetunternehmen, deren Manager wahrscheinlich eher selten eine Zeitung in der Hand halten und ihre Bücher schon immer auf eBook-Readern gelesen haben? Stecken die Papierbedrucker ihre Hoffnungen vielleicht in eine Blase, wie Investoren in den frühen 2000ern?

Nein, ich glaube, dass vor allem Medienhäuser den Wandel mitgehen müssen, den die Gesellschaft vormacht. Informationen müssen überall und jederzeit verfügbar sein. Das gilt ebenso für Zeitungen, wie auch für Bücher. Warum also nicht, das „Neuland“ erobern, den Pioniergeist wieder erwecken?

Die Situation der digitalen Medienbranche

Der Online-Buchhandel wird dominiert von Amazon, einem 85 Milliarden Dollar schweren US-Konzern. (Dessen Gründer Jeff Bezos im Übrigen gerade erst die „Washington Post“ gekauft hat.) Dort können ganz problemlos auch eBooks erstanden werden — für den konzerneigenen Kindle. Buchhandelsketten wie Thalia zogen zwar mit einem eigenen Online-Shop und einem eigenen eBook-Reader nach. Aber die Branche hat es erstens versäumt, ein einheitliches eBook-Format durchzusetzen, und zweitens das Geschäft aus der Hand gegeben.

Beispiel ebook.de (früher Libri.de): Zwar kann der Online-Shop auf eine Geschichte zurückblicken, die bis ins Jahr 1928 reicht — heute gehört das Unternehmen allerdings zur Maxingvest AG, also Tchibo.

Fazit: Klassische Verlagsunternehmen haben den digitalen Wandeln insofern verschlafen, als dass sie selbst nicht kreativ genug bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen vorangeschritten sind. Das wird jetzt durch Zukäufe — finanziert durch üppige Erlöse aus dem klassischen Print-Geschäft — ausgeglichen.

Das ist gar nicht mal falsch und für Internetunternehmen sowie Verlage, die neuen Business Angels der Start-up-Branche, eine Win-Win-Situation. Die einen haben das Geld, die anderen die Ideen.

Doch es gibt auch Beispiele, bei denen die Papierbedrucker selbst aktiv geworden sind. Die Verlagsgruppe Droemer Knaur hat mit neobooks eine Plattform geschaffen, auf der Amateur-Autoren ihre eBooks hochladen können. Die Nutzer bewerten diese — und wer gut genug ist, landet direkt beim Lektorat des Buchverlages. Auch andere Verlage, wie beispielsweise Random House, experimentieren mit neuen Formaten.

Jetzt müssen die neuen digitalen Medienhäuser es nur noch schaffen, sich möglichst vielfältig aufzustellen. Denn welche Online-Geschäftsideen rentabel sind und wie lange welche alten Print-Modelle noch funktionieren, weiß niemand.

Und wie heißt es so schön: Auf einem Bein steht sich’s schlecht.

Dieser Beitrag erschien im Original im September 2013 im Blog der Frankfurter Buchmesse und wurde auch auf meiner Website veröffentlicht.

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