Die Zweiteilung der Medienwelt

Aus dem YouTube-Video von Rezo können nicht nur CDU und SPD etwas lernen, sondern auch die Medien.

Matthias Bannert
3 min readMay 29, 2019
YouTuber Rezo

Der YouTuber Rezo hat in 55 Minuten eine Abrechnung in Videoformat mit den Regierungsparteien veröffentlicht. In „Die Zerstörung der CDU“ listet er etliche Kritikpunkte an der Regierung auf und trifft damit einen Nerv. Das Video wird millionenfach angesehen und sorgt kurz vor der Europawahl für Schnappatmung in der Politik.

Die CDU wirkt überfordert, angemessen auf das Video zu reagieren. Sie produziert zwar ein Antwortvideo, veröffentlicht letztendlich aber ein PDF mit einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Thesen von Rezo.

Es soll in diesem Beitrag aber gar nicht um das Video selbst gehen, sondern um einen anderen Aspekt, nämlich eine Spaltung in der Medienszene oder genauer gesagt bei den Medienkonsumenten.

Rezo ist YouTuber, hat auf dem genannten Kanal mehr als 800.000 Abonnenten. Die Videos des Influencers werden mehrere hunderttausend Mal angesehen. Er dürfte damit mehr Menschen als viele Zeitungen erreichen. Und das ist der Punkt, auf den ich aufmerksam machen möchte.

Dass Rezo Kritik an der Regierung und damit eine Wahlempfehlung ausgesprochen hat, ist für sich genommen nichts Dramatisches. (Das mag CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer anders sehen.) Sein Video ist gut gemacht, pointiert und garniert die Kritikpunkte mit entsprechenden Quellenverweisen. Von außen betrachtet ist das ein solides Recherchewerk. Bei näherem Hinschauen gibt es eine Reihe von Überspitzungen, Fehlinterpretationen und Ungenauigkeiten, die einem Faktencheck nicht standhalten.

Aber das bekommt niemand mit.

Die Debatte wird nämlich einseitig geführt. Auf der einen Seite Rezo, der das Video für sein Publikum macht. Auf der anderen Seite die Politik und die herkömmlichen Medien, die das Video besprechen. Das Problem ist, dass offenbar sowohl Medien als auch Politik eine ganze Bevölkerungsgruppe kommunikativ verloren haben. Es gibt — vor allem jüngere — Menschen, die ihre Informationen eben von YouTube beziehen. Das ist grundsätzlich nichts Verkehrtes. Doch bei YouTube ist journalistisches Handwerk eine Rarität. Hauptsächlich handelt es sich bei YouTube um eine Entertainment-Plattform, bei der jeder Videos mit unterschiedlichsten Inhalten einstellen kann.

Jahrelang haben es Medien versäumt, sich um den „Nachwuchs“ zu kümmern, sprich Inhalte zu schaffen, die junge Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit abholen — sei es durch die Aufbereitung oder die Plattform, auf der sie veröffentlicht werden.

Gleiches gilt offenbar auch für die Politik oder zumindest für SPD und CDU. Das zeigt beispielsweise das unterschiedliche Wahlverhalten in den Altersgruppen.

Rezo erreicht mit seinem Video Menschen, die klassische Medien nicht konsumieren. Die Auseinandersetzung mit dem Video von Rezo findet also unter Ausschluss jener Öffentlichkeit statt, die Rezo erreicht.

Und hier genau (und nicht in der von AKK befürchteten Meinungsmache) liegt tatsächlich eine Gefahr. Natürlich haben Rezo und andere YouTuber nicht den Anspruch, journalistische Sorgfalt walten zu lassen. Das müssen und wollen sie auch gar nicht. (Um Missverständnissen vorzubeugen: Natürlich ist es möglich, auch auf YouTube Journalismus zu machen.) Wir bewegen uns hier aber in einem weitgehend journalismusfreien Raum. Während Rezo, LeFloid, HerrNewstime & Co. eigene redaktionelle Erzählformen entwickelt haben, nutzen klassische Medien YouTube oftmals nur als Abladeplatz für Videoinhalte mit Reuters-Material. Die YouTube-Gemeinde erreichen sie damit nicht.

Das Resultat: Junge Menschen informieren sich auf YouTube, auf Instagram, auf Snapchat mit den Inhalten, die dort verfügbar sind und die ihre Sprache sprechen. Das Video von Rezo erfüllt gewissermaßen sogar ein Informationsbedürfnis der so genannten jungen Zielgruppe. Andere Beispiele zeigen deutlicher, wie die Grenzen zwischen Meinung und Berichterstattung verwischen. Dem gegenüber stehen Tageszeitungen, die im Print von jungen Menschen kaum und online selten konsumiert werden. Das wird in Zukunft noch deutlichere Auswirkungen auf Bildung und letzten Endes auch auf die Meinungsbildung haben, als es jetzt schon zu spüren ist.

Die Medien sind aus reinem Selbsterhaltungstrieb also aufgerufen, Inhalte zu schaffen, die junge Menschen erreichen und eine Debatte, Meinungs- und Informationsvielfalt auch im Social Web ermöglichen. Ich glaube fest daran, dass dies notwendig, aber auch möglich ist.

Über mich: Ich habe das BYou, das Jugendangebot von BILD, mitentwickelt und das Teenie-Newsportal Celepedia.de redaktionell geleitet. Beide Angebote gehörten zu Axel Springer und sind inzwischen eingestellt worden. Mit der Gründung meiner Agentur b00st.me bin ich auch in die Welt der Influencer eingetaucht.

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